„Der Rat wird bunter“ ist seit der Kommunalwahl am 25.05.2014 in den städtischen Medien zu lesen. Abgesehen von den Rechtsdruck, der durch den Einzug von AfD und ProNRW einhergehen wird, sollte doch der Einzug der Piraten und der Partei DIE PARTEI ein gutes Signal für die Demokratie und den vielfältigen Wählerwillen sein. Nicht nach Meinung der ¨Großen¨ wie in der WDR Lokalzeit vom 28.05.2014 zu sehen ist und das weite Spektrum einer tiefsitzende Arroganz zum Vorschein bringt.
Im Interview der WDR Lokalzeit vom 28.05.2014 erinnert sich zunächst Hans-Peter Schlegelmilch (Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat der Stadt Mönchengladbach) offenkundig bruchstückhaft an seinen Geschichtsunterricht und sieht (anfänglich schmunzelnd) „in solchen Systemen“ die Gefahr der Demokratiebeseitigung. Weiter vermutet er, dass sich viele in der Öffentlichkeit an den Kopf fassen werden, da gerade die Punkte der Partei DIE PARTEI völlig absurd seien.
Markus Raub (SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Stadtrat) behauptet aus seinen Erfahrungen mit kleinen Gruppen und Einzelmandaten im Rat sogar, dass diese es angelegt hätten den Rat durch eine Flut von Anfragen lahm zu legen.
Thomas Diehl von den Grünen in Mönchengladbach unterscheidet in seinem Blog zumindest im Rahmen seiner Bewertung die verschiedenen „Einzelkämpfer“ im neuen Stadtrat. „[So gebe es] schon fast nicht mehr zu sagen, [außer dass] die Piraten [] sich ihren Sitz verdient [haben]“. Warum sich die Piraten seiner Meinung nach den Sitz verdient haben, lässt er allerdings offen. Stattdessen findet er klare Worte, warum der Einzug der Partei DIE PARTEI furchtbar sei. „[Schließlich mache], Diehls Meinung nach, wer die Wahl durch eine solche Spaßgruppe „unterwandert“, [] letztlich die Demokratie an sich lächerlich […]“.
Eine lebendige Demokratie muss das aushalten. Den Spruch hören wir immer wieder, wenn es um das NPD-Verbotsverfahren oder auch den Einzug von Rechten in die Parlamente geht, aber beim Einzug kleiner, demokratischer Gruppen und Einzelkämpfer sieht die Welt nun anders aus?!
Nun wird Meinungsvielfalt zum Demokratiebeseitiger, weil große Parteien schlimmstenfalls (zumindest aber nicht ohne Kritik der Kleineren) eben nicht mehr alleine über die Zukunft der Menschen entscheiden können?
Das Demokratieverständnis so mancher großen, demokratischen Partei wird mit solchen Äußerungen doch ad absurdum geführt. Der Wähler hat also nicht nur zur Wahlurne zu gehen sondern er hat auch gefälligst das Richtige zu wählen ist da die Aussage. Da braucht mensch sich über eine Wahlbeteiligung von 43 % wirklich nicht zu wundern. Vielen ist wohl das Konzept der Demokratie nicht ganz klar und glauben, dass diese bei dem Gang zur Wahlurne endet.
Die vermeintliche Gefahr, dass nun die Demokratie in Gefahr sei ist doch eher der Angst, Bequemlichkeit und Arroganz der Großen geschuldet. Angst vor noch mehr Demokratie und in Folge die Angst vor Stimmverlusten bei zukünftigen Wahlen, der Bequemlichkeit ohne große Diskussion die eigenen Positionen in die Räte, Ausschüsse und Parlamente durchzubringen und letztendlich der Arroganz, der Meinung zu sein, dass mensch über jede weitere Meinung erhaben sei. Der letzte Punkt gilt übrigens auch in den eigenen Fraktionen stets nach dem Motto „die Partei hat immer recht“. So sind eigene Abweichler und Querdenker genauso ungewollt wie kleine Gruppen in Räten und Parlamenten. Wir erinnern uns wie demokratisch CDU, SPD und FDP das Problem aus der Welt schaffen wollten, als diese 2012 versuchten Querdenkern und Abweichlern schlicht das Rederecht zu entziehen (http://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-ueber-rederecht-im-bundestag-viele-abgeordnete-verweigern-sich-dem-maulkorb-1.1332981).
Konkreter Umgang mit vielen Parteien im Rat. Zurück auf die Situation in Mönchengladbach kommend, möchte ich konkret auf den Vorwurf von den SPD-Fraktionschef Raub in Düsseldorf eingehen, der behauptet, dass kleinen Gruppen und Einzelkämpfern es durch eine Flut von Anfragen angelegt hätten den Rat lahm legen zu wollen. Ich finde es erschreckend, wie wenig ein Fraktionsvorsitzender Kenntnis über die Abläufe in seinen eigenen parlamentarischen Wirkungskreis besitzt.
Was Herr Raub nämlich bei seinem Statement verschwiegen hat, ist der Hintergrund, dass Gruppen und Vertreter, die keine Fraktionsstärke (also mindestens drei Mitglieder) haben, nicht an vorbereitenden Ausschüssen & Vertretungen mitwirken können. Das bedeutet, dass Parteien unter drei Mitgliedern überhaupt keine andere Möglichkeit haben als im Rat selber Anfragen zu stellen (hier möchte ich direkt noch ergänzen, dass Einzelpersonen nicht mal die Möglichkeit haben, im Rat selber Anträge zu stellen).
Was also sollen diese denn machen, wenn sie wirklich ernsthaft politische Arbeit betreiben wollen? Auch hier sind wieder Arroganz, Bequemlichkeit und falsches Verständnis von Demokratie gegeben – frei nach dem Motto Abstimmen ist okay, solange mensch selber als große Fraktion seine eigenen Anliegen schnell durchgewunken bekommt. Alles andere ist dann wiederum zu viel an Demokratie und Vielfalt.
Meiner Auffassung nach stellt sich hier wirklich die Frage, ob mensch nicht die Ausschussregelungen dahingehend ändern sollte, dass kleine Gruppen und Einzelvertreter die Möglichkeit haben schon in den Ausschüssen mitzuwirken. Dadurch würden die Ausschüsse zwar vermutlich länger tagen, jedoch der Rat selber auf der anderen Seite entlastet werden.
Mein persönliches Fazit. Den Einzug von NPD, ProNRW und bedingt AfD bedaure ich sehr, jedoch aufgrund ihrer politisch-rechten Richtung (AfD deshalb bedingt, da ich sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder als rechtsradikale noch als absolut rechtspopulistische Partei einstufen möchte – sie für mich aber unbestritten eine Partei darstellt, die am rechten Rand fischt und auch bislang zumeist rechte Inhalte vertritt).
Den Einzug der Piraten und auch der Partei DIE PARTEI sehe ich wiederum durchaus positiv entgegen, da dies Meinungsvielfalt und auch ein weiteres Spektrum an politischen Themen, Inhalten und Ansichten mit sich bringt.
Richtig gelesen! Diese Einschätzung gilt auch für DIE PARTEI. Sie ist zwar eine (wie sie selber angibt) inhaltslose Satirepartei, aber Satire hat für mich durchaus positives Aspekte, da Satire Missstände aufzeigt und diese unterhaltsam zu erfassen wie auch zu verarbeiten vermag, sodass sie durchaus als Mittel gegen Politikverdrossenheit wirken könnte. Ob diese Hoffnung jedoch Früchte trägt, obliegt nun dem Agieren des zukünftigen Ratsherren der Partei DIE PARTEI und seinen außerparlamentarischen Mitstreitern.
In dem Zusammenhang möchte ich gerne an die Anfangszeit der Grünen erinnern. Zunächst als kleine Gruppe mit selbstgestrickten Pullovern und Nerdbrillen wurde sie von anderen Parteien durchaus belächelt. Inzwischen stellen sie Minister und bildeten schon so manche Koalition. Einige der grünen Mitglieder wurden zwischenzeitlich auch zu „Lieblingen“ der Wirtschaft, wo sie dann ihre grüne Seele verkauften und mit A6 & A8 statt mit Bus & Fahrrad unterwegs waren. Ich hoffe zwar dass der Partei DIE PARTEI der letzte Punkt erspart bleibt (also der Teil mit den „Lieblingen“ der Wirtschaft, nicht der Teil mit A6 & A8 ^^), aber hier sollte sich Thomas Diehl meiner Meinung nach auf die eigenen Wurzeln besinnen und der Partei DIE PARTEI vorurteilsfrei eine Chance geben.
Quellen:
- Lokalzeit Düsseldorf vom 28.05.2014 (http://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit/lokalzeit-aus-duesseldorf/videolokalzeitausduesseldorf784.html)
- Süddeutsche Zeitung „“Eine lebendige Demokratie muss das aushalten“ http://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-ueber-rederecht-im-bundestag-viele-abgeordnete-verweigern-sich-dem-maulkorb-1.1332981
- Blog Thomas Diehl Punkt EU http://thomasdiehl.eu/